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«Aktuell sind wir dabei, die besten Materialien zu identifizieren, wollen uns aber nicht nur auf die Theorie und Literatur verlassen.» Raffaella Villa, Business Development Engineer, MCM Spa, Italien |
Umwelt- und Klimaschutz treiben die Dekarbonisierung mehr und mehr voran. Wasserstoff ist dabei ein vielversprechender Energieträger der Zukunft. Sein Heizwert ist besser als der von Öl oder Erdgas und er verbrennt klimaneutral – also ohne CO2-Austoss. Von «grünem» Wasserstoff spricht man, wenn er selbst aus erneuerbaren Quellen gewonnen wird. Die Kosten dafür sinken, sind aber noch relativ teuer – noch ... Heute wird Wasserstoff meist Methan oder natürlichem Gas beigemischt, um die CO2-Bilanz zumindest zu senken.
Wasserstoff auf dem Vormarsch
«In Wasserstofftechnologien wird jetzt massiv investiert», weiss Raffaella Villa, Business Development Engineer, bei MCM Spa in Italien. Das Unternehmen gehört zur Angst+Pfister-Gruppe und ist auf Gummidichtungen für die Automobil-, Luftfahrt und Petroindustrie spezialisiert. Seit 2020 stiegen die Anfragen für Wasserstoffdichtungen bei MCM sprunghaft an. «Wir erwarten in naher Zukunft noch mehr.» Dazu trägt bei, dass Wasserstoff über das bereits bestehende und weltumspannende Pipeline-Netz befördert werden kann. Es braucht keine neuen Infrastrukturen, lediglich Umrüstungen.
«Wir arbeiten bereits an Wasserstoff-Anwendungen», erzählt Raffaela Villa. Eine sehr interessante und bedeutsame Zusammenarbeit sei jene mit Starline SpA. Dabei geht es um die Produktion von 97-prozentigem grünem Wasserstoff. Als Herstellerin von Kugelventilen aus geschmiedetem Stahl produziert Starline die notwendigen Ventile für Wasserstoff-Pipelines. Diese Ventile benötigen nun geeignete Dichtungen. Geliefert werden diese Ventile beispielsweise an Iberdrola – ein spanischer Gigant unter den europäischen Stromproduzenten und -vertreibern. Iberdrola investiert bereits Milliarden in die grüne Wasserstoffproduktion.
Was ist das beste Dichtungsmaterial?
«Gas ist knifflig für Elastomer-Dichtungen, speziell Wasserstoff», sagt Raffaella Villa. So stellten sich ganz andere Anforderungen als bei Flüssigkeiten – Wasserstoff sei zudem das kleinste Molekül überhaupt. Dieses Gas kann langsam durch die Molekularstruktur von Polymeren diffundieren. Alles dreht sich deshalb um die Durchlässigkeit der Elastomer-Mischungen. Austretender Wasserstoff wirft umgehend Sicherheitsfragen auf. Aufgrund des hohen Drucks in den Pipelines kommen vor allem harte Elastomere infrage. Allerdings verhalten sich nicht alle Mischungen gleich bei Wasserstoff.
«Aktuell sind wir dabei, die besten Materialien zu identifizieren, wollen uns aber nicht nur auf die Theorie und Literatur verlassen», so Raffaella Villa. Dort würden zwar die Materialien FKM und HNBR als mögliche Lösungen für Wasserstoff gehandelt, aber bei MCM wolle man ganz genau wissen: Welches Elastomer eignet sich für welchen Einsatz am besten? «Wir wollen eine Rangliste erstellen.» Deshalb lässt MCM aktuell sein gesamtes Portfolio von einem externen Labor auf Durchlässigkeit testen.
Verlässliche Daten zur Durchlässigkeit
Wasserstoff greift die Elastomere zwar nicht chemisch an, aber die Umweltbedingungen spielen eine Rolle. Im Allgemeinen heisst das: Je höher die Temperatur oder der Druck, desto durchlässiger werden die Dichtungen. Je nach Anwendungen, braucht es auch chemische Resistenzen. Alle diese Faktoren limitieren die Wahl des richtigen Elastomers – meist ist der beste Kompromiss gesucht. Ziel von MCM ist, seinen Kunden künftig verlässliche Daten zu präsentieren für unterschiedliche Anwendungen in Zusammenhang mit Wasserstoff.
Beim laufenden Projekt für Starline werden sehr harte Dichtungen erwartet, die bis zu 35 Bar Druck aushalten – aber bei moderaten Temperaturen von minus 10 bis 65 Grad Celsius. «Starline könnte einen Compound aus unserem Portfolio verwenden für das Iberdrola-Projekt. Aber wir prüfen nun, was unser Portfolio darüber hinaus hergibt. Es ist zwar bereits enorm umfassend, aber wir wären auch bereit, neue Compounds zu entwickeln für Wasserstoffdichtungen», erklärt Raffaella Villa. Schliesslich seien diese auch für andere Branchen wie die Automobilindustrie interessant.
Erfahrung und Knowhow für neue Anwedungen
Verlässliche Daten und Materialwahl sind das Eine – MCM bringt aber auch sein Knowhow bei Pressverfahren und beim Spritzguss der Teile ein. «Das Formen solcher Materialien ist nicht trivial», weiss Oliviero Mismetti, der als Projektmanager bei MCM tätig ist. Die Erfahrung von MCM sorgt für die geforderten Toleranzen in der Produktion. Gefragt ist auch das Wissen von MCM rund um AED-Zulassungen (Anti-explosive Decompression) – also für drucksturz-resistente Dichtungen. «Es ist aufregend, dass wir dank unserer Fähigkeiten Pionierarbeit für eine neue Technologie leisten dürfen, welche die Dekarbonisierung in Europa forciert», freut sich Raffealla Villa.
Mehr Informationen über MCM Sealing
veröffentlicht: 10.03.2022, 07:37:00 von: Angst+Pfister Magazin2022